Rassismus und Soziokultur - Rassismuskritisch Denken und Handeln

Der Diskurs um Rassismus soll in der Soziokultur keine Leerstelle bleiben. Race, als soziale Kategorie und Rassismus wurde in einem Workshop vom Fachpool Soziokultur am Labor Soziokultur 3.0 diskutiert und als Thema sichtbar gemacht. Eine unumgängliche Positionierung, wenn die Soziokultur ihrem Auftrag als Menschenrechtsprofession gerecht werden will.

Avenir Social, der Berufsverband der Sozialen Arbeit, überarbeitete kürzlich den Leitfaden gegen rassistische Diskriminierung. Darin wird auf die Gefahr eines verkürzten Rassismusverständnisses hingewiesen, die darin liegt, Rassismus nicht als strukturellen Ausdruck ungleicher Machtverhältnisse und historischer Kontinuitäten zu anerkennen, sondern vor allem auf zwischenmenschliche rassistische Diskriminierung zu reduzieren. Das ist zu kurzgefasst:

Rassismus muss als System verstanden werden, das auf einer nach “Rassen” kategorisierten Hierarchisierung basiert und historisch seit dem Kolonialismus verflochten und gewachsen ist (Rommelspacher, 2009). Die Entwicklung dieses Systems diente zur Legitimation der Ausbeutung und Entmenschlichung von BIPoC (Black, Indigenous and People of Color). Obwohl als nichtig erkannt, sind die Auswirkungen der damaligen und längst wiederlegten Rassentheorie noch immer wirksam und können vehementen Einfluss auf die Lebens- und Erfahrungswelt eines Individuums haben. 

Rassistische Vorannahmen und Ausschlüsse haben sich in allen Teilbereichen unserer Gesellschaft festgemacht. Es gibt keine Räume und keine Orte, keine Organisationen, aber auch keine Institutionen und keine noch so rassistisch sensibilisierte Person, die völlig frei davon ist, Rassismus zu reproduzieren.

Die Auswirkungen von kolonial-rassistischen Kontinuitäten sind somit auch im Feld der Sozialen Arbeit und damit auch in der Soziokultur spürbar. Das zeigt sich beispielsweise in Projekten der Raumentwicklung sowie allgemein in Migrationsdiskursen in der Schweiz.

Oftmals orientiert sich die Soziale Arbeit unkritisch an gesellschaftlichen Normen und nutzt diese als Massstab, auch im Kontakt zu Adressat*innen. Darin besteht die Gefahr, dass unreflektiert kolonial-rassistische und xenophobe Stereotype reproduziert werden und Abweichungen unhinterfragt als solche benannt werden. So arbeitet die Soziokultur plötzlich mit den „Anderen“ und reproduziert den gesellschaftlichen Diskurs von “Wir” und die “anderen”.

Eine solche (Re-)Produktion von Differenzen entlang einer xeno-rassistischen Linie müssen wir kritisch entgegentreten. Die Soziokultur ist seit jeher in Macht- und Herrschaftsverhältnisse eingebettet und auch beauftragt, diese durchzusetzen. Dies wirkt sich massgeblich auf Theorie und Praxis aus, was sich in der Arbeit mit Adressat*innen widerspiegelt. Es gilt hegemoniale Wirkungen respektive bestehende Machtasymmetrien zu anerkennen, kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu dekonstruieren. Das setzt eine Reflexion auf individueller Ebene sowie im Teamdiskurs voraus, sodass Professionelle sich ihrer eigenen gesellschaftlich rassifizierten Position bewusstwerden und die damit einhergehenden Privilegien kennen. 

Zu den Autor*innen

Sie alle drei sind Mitinitiant*innen und Erstunterzeichnende des Appells an die Schulen Sozialer Arbeit für die Entwicklung einer rassismuskritischen Lehre Sozialer Arbeit. https://www.netzwerk-rassismuskritische-sozialearbeit.ch/

Den ausführlichen Text findest du im Dossier Fachpool

Auf www.laborsoziokultur.ch sind alle Ergebnisse und weitere Informationen zum Labor Soziokultur 3.0 publiziert.

 

Quellen

Avenir Social (2022). Rassisitische Diskriminierung und Diskriminierungsschutz konkret. Ein Leitfaden für die Praxis Sozialer Arbeit. Bern.

Prasad, Nivedita (2019). Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession im Kontext Flucht. Springer VS, Wiesbaden. 

Rommelspacher, Brigrit (2009): Was ist eigentlich Rassismus? In: Melter, Claus/Mecheril, Paul (Hg): Rassismuskritik. Band 1: Rassismustheorie und -forschung, Schwalbach/Taunus, S. 25-38.

 

Autor*innen: Zahai Isler, Julissa Sanchez-Terrero, Rahel El-Maawi

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Soziokulturelle Animator*innen im Austausch zum Thema Digitalisierung